NIS2-Richtlinie – Steckbrief für Unternehmen

  1. August 2025

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schätzt, dass die "Directive on the Security of Network and Information Systems" (NIS2) in Deutschland rund 29.000 Unternehmen erstmals unter gesetzliche Cybersicherheitspflichten stellt. Diese werden als "wichtige" und "besonders wichtige" Einrichtungen klassifiziert und kommen zu den bereits regulierten 1.000 Unternehmen der kritischen Infrastruktur hinzu. Die Anzahl der regulierten Unternehmen steigt damit von 1.000 auf 30.000 – eine Ausweitung um das 30-fache.

Das Problem – Viele mittelständische Unternehmen kennen ihre neuen Pflichten noch nicht. NIS2 erweitert die Cybersicherheitsanforderungen von der kritischen Infrastruktur auf weite Teile der Wirtschaft. Die Prüfung der Betroffenheit ist durch Verweisungen auf andere Gesetze komplex. Selbst für Fachjuristen sind klare Abgrenzungen nicht immer einfach zu treffen.

Das BSI stellt allgemeine Informationen bereit, berät jedoch nicht im Einzelfall. Unternehmen müssen selbst prüfen, ob sie betroffen sind.

Dieser Beitrag zeigt Ihnen, was Sie für Ihre NIS2-Compliance wissen müssen.

Was ist NIS2? – Der Zweck

Aufgrund steigender Cyberangriffe hat die EU mit NIS2 eine Richtlinie geschaffen, die das Cybersicherheitsniveau in der Union harmonisieren und verbessern soll.

Die Norm verfolgt konkrete Ziele: die Eindämmung von Bedrohungen für Netz- und Informationssysteme und die Sicherstellung der Kontinuität wichtiger Dienste bei Sicherheitsvorfällen. Dies soll zur "Sicherheit der Union und dem reibungslosen Funktionieren der Wirtschaft" beitragen.

NIS2 löst die Vorgängerrichtlinie NIS ab, die verbindliche Cybersicherheitsanforderungen für kritische Infrastrukturen eingeführt hatte. Nach Einschätzung der Behörden war NIS erfolgreich und führte zu messbaren Verbesserungen der Cybersicherheit. Kritisiert wurde jedoch, dass regulierte Unternehmen sich mehr Flexibilität bei der Wahl der Sicherheitsmaßnahmen gewünscht hätten.

Die Umsetzung in deutsches Recht sollte bis zum 17. Oktober 2024 erfolgen. Das deutsche NIS2-Gesetz wurde jedoch aufgrund der kürzeren Legislaturperiode nicht mehr vom vorherigen Bundestag verabschiedet.

NIS2 Anwendungsbereich – Bin ich betroffen?

Die zentrale Frage für mittelständische Unternehmen lautet: Bin ich betroffen? NIS2 gilt für Ihr Unternehmen, wenn Sie drei Kriterien erfüllen:

1. Sie bieten Ihre Dienste in der EU an oder führen hier Ihre Aktivitäten durch

Bei deutschen Unternehmen ist dies in der Regel gegeben. Bei internationalen Konzernstrukturen kann die Abgrenzung relevant werden.

2. Sie sind in einem der regulierten Wirtschaftssektoren tätig

Hier wird es komplex. Die Definitionen sind offen gestaltet, und das Gesetz verweist auf Anhänge und andere EU-Vorschriften.

Betroffene Sektoren (Auswahl):

  • Energie (Elektrizität, Fernwärme, Öl, Gas, Wasserstoff)

  • Verkehr (Straße, Schiene, Luft, Wasser)

  • Bankwesen und Finanzmarktinfrastruktur

  • Gesundheitswesen

  • Wasser (Trink- und Abwasser)

  • Digitale Infrastruktur (Cloud-Computing, Rechenzentren)

  • Anbieter von IKT-Diensten (verwaltete Sicherheitsdienste)

  • Post- und Kurierdienste

  • Chemische Industrie

  • Lebensmittelindustrie

  • Verarbeitendes Gewerbe (Maschinen- und Fahrzeugbau, elektrische Ausrüstung)

  • Digitale Dienste (Online-Marktplätze)

  • Forschungseinrichtungen

Der Anwendungsbereich wurde deutlich ausgeweitet und umfasst nicht mehr nur kritische Infrastrukturen.

3. Ihr Unternehmen überschreitet die Mindestgrößen

Die Schwellenwerte sollen kleine Betriebe schützen. Eine Arztpraxis wäre zwar vom Sektor erfasst, fällt aber wegen der Größe heraus. Große Gemeinschaftspraxen können jedoch betroffen sein.

NIS2 verweist für die Schwellenwerte auf eine andere EU-Norm. Betroffen sind Unternehmen, die als mittlere Unternehmen gelten oder größer sind:

  • Mehr als 50 Beschäftigte

  • Jahresumsatz über 10 Millionen Euro

Wichtig – Bei Konzernen und Joint Ventures werden die Daten verbundener Unternehmen mitunter addiert.

Was muss ich tun? – Die wichtigsten Inhalte

Die Anforderungen konzentrieren sich auf das Cybersicherheits-Risikomanagement. NIS2 unterscheidet zwischen "wichtigen" und "besonders wichtigen" Einrichtungen. Die Einstufung richtet sich nach dem Wirtschaftsbereich, kann aber auch von den Mitgliedstaaten vorgenommen werden.

Cybersecurity wird Chefsache

Die Geschäftsführung muss die Maßnahmen zum Cybersicherheits-Risikomanagement billigen und überwachen. Sie trägt die direkte Verantwortung und muss regelmäßig an Schulungen zu Risiken und Risikomanagementpraktiken teilnehmen.

Sicherheitsmaßnahmen

Die NIS2-Richtlinie verpflichtet zu "geeigneten und verhältnismäßigen" Maßnahmen zur Beherrschung von Cybersicherheitsrisiken. Ziel ist es, die Auswirkungen von Sicherheitsvorfällen zu minimieren oder ganz zu vermeiden.

Benötigt werden Maßnahmen zur Verhinderung von Cybersicherheitsvorfällen und zur Schadensbegrenzung. Die konkreten Maßnahmen hängen vom jeweiligen Risiko ab. Klare Zertifizierungen gibt es noch nicht. Das BSI nennt den BSI-Grundschutz und Sicherheitszertifizierungen wie ISO 27001 als gute Ausgangspunkte - verpflichtend sind diese jedoch nicht.

Für das Management von Vorfällen sind Incident Response Pläne und vorheriges Training, etwa durch Table-Top-Übungen, empfehlenswert.

Melde- und Berichtspflichten

  • Erhebliche Sicherheitsvorfälle müssen unverzüglich an die Behörde gemeldet werden

  • Gegebenenfalls sind auch Kunden zu benachrichtigen

  • Enge Fristen: Erstmeldung innerhalb von 24 Stunden, Aktualisierung innerhalb von 72 Stunden

Weitere Pflichten

  • Behördenanordnungen: Aufsichtsbehörden können zur Nutzung bestimmter IKT-Produkte verpflichten (aktuell kaum praktisch relevant)

  • Registrierung: Verpflichtende (Erst-)Registrierung als Einrichtung, Änderungen sind mitzuteilen

  • Erreichbarkeit: Kommunikationskanäle für die Behörde müssen immer verfügbar sein

  • Informationsaustausch – Bei Teilnahme am Informationsaustausch zu Cybersicherheitsrisiken mit anderen Unternehmen

Aufsichtsbehörden und deren Befugnisse

Das BSI wird die zuständige Aufsichtsbehörde. Es betont einen Ansatz der Zusammenarbeit und Beratung, insbesondere zu Beginn liegt der Fokus auf Aufklärung. Gleichzeitig verfügt das BSI über weitreichende Befugnisse, einschließlich Vor-Ort-Kontrollen bei besonders wichtigen Einrichtungen.

Bei Sicherheitsvorfällen mit personenbezogenen Daten arbeitet das BSI mit den Datenschutzbehörden zusammen.

Was droht bei Verstößen? – Die Risiken

Sanktionsmaßnahmen

Die Behörden können verschiedene Maßnahmen verhängen: Warnungen, Anweisungen zu bestimmten Verhaltensweisen oder zum Unterlassen, Anweisungen zur Veröffentlichung von Verstößen und Geldbußen. Bei besonders wichtigen Einrichtungen sind sogar Betriebsuntersagungen oder vorübergehende Tätigkeitsverbote für Leitungsorgane möglich, bis die Mängel behoben sind.

Bußgelder

  • Besonders wichtige Einrichtungen: Bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes

  • Wichtige Einrichtungen: Bis zu 7 Millionen Euro oder 1,4 % des weltweiten Jahresumsatzes

  • Zusätzlich: Zwangsgelder bis zu 100.000 Euro möglich

  • Verhältnis zur DSGVO: DSGVO-Bußgelder haben Vorrang. Für dasselbe Verhalten wird kein zusätzliches NIS2-Bußgeld verhängt, andere Ordnungsmaßnahmen bleiben jedoch möglich.

Persönliche Haftung der Geschäftsführung

Nach dem aktuellen Entwurf des deutschen Gesetzes handelt es sich um gesellschaftsrechtliche Haftung. Dies ist für Geschäftsführungsorgane insofern eine Erleichterung, als sie sich unter Umständen auf die Business Judgment Rule berufen können.

Öffentliche Warnungen

Das BSI kann nach dem deutschen Gesetzesentwurf Warnungen an die Öffentlichkeit richten.

Faktische Risiken

Neben den rechtlichen Sanktionen drohen Reputationsschäden und Störungen im Betriebsablauf.

NIS2 in Deutschland – Nächste Schritte & Timeline

Am 25. Juli 2025 wurde ein Regierungsentwurf verabschiedet. Das Gesetz befindet sich im Gesetzgebungsprozess, ist aber noch nicht abgeschlossen. Änderungen sind weiterhin möglich. Aufgrund der bereits verstrichenen Umsetzungsfrist erwarten wir, dass das Gesetz nach seinem Inkrafttreten sehr schnell anwendbar wird – entweder mit kurzen Umsetzungsfristen oder ohne Übergangszeit. Dies war auch in anderen EU-Ländern der Fall. Das Argument: Der wesentliche Inhalt entspricht der bereits länger bekannten NIS2-Richtlinie.

Empfohlene Sofortmaßnahmen

1. Anwendbarkeit prüfen:

  • Initiale Prüfung – Falls noch nicht geschehen oder unklar

  • Erneute Prüfung – Erforderlich, falls Ihr Business seit der letzten NIS-2-Prüfung personell gewachsen ist oder Ihr Geschäftsmodell auf einen umfassten Sektor ausgeweitet wurde

2. Compliance vorbereiten:

  • Zuständige Personen benennen,

  • Leitungsverantwortung klären,

  • Bestandsaufnahme der Informationssicherheit durchführen,

  • kontinuierliche Verbesserung etablieren,

  • Meldepflichten und Warnsystem vorbereiten

Sie benötigen Hilfe bei einem der Punkte?

Kontaktieren Sie uns für ein kostenloses NIS2-Erstgespräch.

Wir erarbeiten mit Ihnen eine Roadmap mit den wichtigsten Schritten und entwickeln Konzepte, Verträge und die rechtliche Dokumentation, damit Sie sich auf das konzentrieren, was für Sie zahlt – Ihr Business.

Autoren

Tobias Stephan

Rechtsanwalt | Geschäftsführer

Tobias Stephan

Rechtsanwalt | Geschäftsführer